Ein Knochenjob.
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Immer dieser Stress am Morgen! Schnell die weiße Schminke runter, dann die Clownsmaske ab. Einfach ekelhaft! Dieser Schweiß unter dem Ding. Und dann überall nur rote Fussel! Jetzt noch schnell das schwarze Ledergeschirr zurück auf den Bügel und die Gummistiefel gleich darunter. Diesmal die grünen. Manche Leute sind echt schräg drauf! Sie muss sich jetzt ranhalten, ihr Tagesjob wartet nicht ewig. Sie schlüpft in ein graues Kostümchen, legt etwas Rouge auf und rennt zur Tür. Sie ist der Boss, okay, aber eine Stunde Schlaf hätte bestimmt nicht geschadet. Sie hetzt die Treppen runter und steigt in die Dienstlimo. Angela Murkel muss zur Arbeit.
Der Chauffeur wünscht irgendwas Gutes. Sie kann nicht antworten, sie ist erschöpft. Und außerdem ist sie der Boss, sie muss hier gar nichts. Sie blättert in der FAZ, findet aber nichts über den Templiner Turnertiraden e. V. Damals ihr Club. Genau ihr Ding! Acht Jahre Reck. Die doppelte Schweinebaumel war ihr Steckenpferd. Und immer war sie supiklasse, wenn man ihrem Trainer, dem „Langen“, glauben darf. Doch viel genutzt hat’s scheinbar nicht, endlich am Ziel hechtet sie wie eine osteoporöse Physikerin in den Fahrstuhl.
Sie ist nicht allein. Da steht schon ein Mädel, und das kuckt blöd. Wahrscheinlich Volontärin. Name? Aha. Sie werden schon sehen! Bereits am nächsten Morgen findet die junge Frau ein Schreiben im Briefkasten. Merkwürdigerweise kündigen das zuständige Finanzamt, die lokale Arbeitsagentur und ihre Krankenkasse gleichzeitig Änderungen an. Änderungen, die die junge Frau noch über Jahre beschäftigen. Vorwurf: Betrug, Unterschlagung, Mord und Blödkucken. Ihr Leben ist erledigt!
Murkel lacht zufrieden. Sie sitzt an ihrem riesigen Schreibtisch aus Mecklenburger Eiche und starrt auf den Bildschirm. Er ist aus. Ihr Gesicht spiegelt sich auf der matten Fläche. Sie erkennt, was die Frau eben im Fahrstuhl wohl so amüsierte: Murkel vergaß die rote Plaste-Nase abzunehmen. Scheiße! Das war jetzt schon das dritte Mal in diesem Jahr. Immerhin war diesmal nicht der Steinbeißer dabei. Der schlägt immer so fest auf den Rücken, dass man nie weiß, ob es kumpelhaft gemeint ist oder ob er einen schon misshandelt.
Wo bleibt denn eigentlich dieser eine Herr, dieser Gebückte? Der mit dem Stock, oder hatte der gar keinen? War es der Mann mit dem Schnurrbart oder eine Frau? Murkel beschließt, sich nicht mehr genau daran zu erinnern. Hauptsache jemand kommt endlich herein und hilft ihr beim Lachen. Die Ungeduld steigt. Murkel nimmt endlich die falsche Nase ab. Da klopft es an der Tür. Die Delegation aus dem Sudan. Na endlich! Murkel sagt dreimal ja und viermal nein, so wie es das Protokoll verlangt, dann ist auch schon Mittag. Sie lässt sich eine gutbürgerliche Rübensuppe ohne Rüben bringen, dafür ist ordentlich Bananasplit drin. So hat sie Suppen am liebsten: mit schön viel Bananen. Sie kann gar nicht genug davon bekommen. Sicherheitshalber hat der Sicherheitsdienst in ihrer Nähe immer eine im Holster.
Murkel bekleckert ihr Kostüm, macht aber nichts. Hier rennen sowieso alle rum, wie sie wollen. Erst letzte Woche war der Busch hier und sie hatte die falsche Perücke auf. Nein, nicht die Clownperücke! Nee, auch nicht ihre Prinz-Eisenherz-Gedächtnis-Mütze. Sie hatte das Haarteil vom Becks auf! Von Becks, dem satten. Hat aber auch keiner gemerkt. Beim abschließenden Gruppenfoto strich ihr sogar jemand durchs Haar. Als sie sich rumdrehte, kicherten bloß ein paar Minister und starrten verschmitzt zur Decke.
Am Nachmittag ist für gewöhnlich nicht viel los. Jeder quält sich irgendwie bis fünf. Einkaufszettel werden diktiert, verworfen und kurz vor Feierabend zum Druck gegeben. Meist zieht sich das Prozedere noch in die frühe Nacht, weil Farben falsch angelegt oder Schriften nicht richtig installiert wurden. Kurz vor Mitternacht rufen dann auch noch die Ehepartner an, um entnervt zu erklären, dass sie heute nicht schon wieder ein Pfund Möhren bräuchten.
Murkel ist zu dieser Zeit längst auf dem Strich. Also dem Mostrich-Institut für gepflegte Fortpflanzungstheorien. Im Scherz von allen Mitgliedern nur „Strich“ genannt. Nach Ewald Mostrich (1934 – 1993) sollen dabei spezielle Nebenberufe das heimische Ehebett gehörig wiederbeleben. Also bei Murkels klappts.
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