Heute nicht.
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Kling! Kling! Die Tür springt auf. Karl stürzt zum Bäcker und verlangt endlich eine vernünftige Diagnose über sein schmerzendes Bein.
Er kreischt, er jammert und wirft dabei noch zwei Illustrierte vom Ständer zu Boden. Das Problem liegt auf der Hand: Der Bäcker ist leider kein Arzt. Er ist Bäcker. Nach langem Hin und Her einigt man sich darauf, doch mal gemeinsam das Bein zu begutachten. Der sonst so tüchtige Bäckermeister schiebt behutsam das Hosenbein hoch und staunt. So ein gammeliges Bein hatte er in seiner ganzen hippokratischen Laufbahn noch nicht gesehen.
Doch ganz in seiner neuen Rolle versunken, schiebt er eine unsichtbare Doktorbrille hoch und lehnt sich wissend zurück. Er grinst. Und sagt nichts. Der Kundenpatient fragt ungeduldig: „Und, was isses?“ Der frisch gebackene Arzt beruhigt den Mann, er habe nichts zu befürchten. Er verschreibt ihm eine mittlere Dosis Antibiotika auf der nächstbesten Brötchentüte und überreicht sie weise. Der kranke Karl krempelt seine Hose wieder runter und will aufstehen.
„Moment noch“, hält ihn der Bäcker zurück. Mit mehligen Händen, die sich ständig selbst einzucremen scheinen, meint der Bäcker, er habe da noch was anderes mit ihm zu bereden. Er nimmt den kranken Karl zur Seite: „Guter Mann“, er lässt eine unnötige Pause, um dann theatralisch den Arm um ihn zu legen. „Guter Mann“, wiederholt er, „ich habe leider eine schlechte Nachricht für Sie. Vielleicht sollten Sie sich wieder setzen.“ Der arme Mann nimmt zittrig Platz. Stotternd fragt er, ob es Krebs sei.
„Aber nein, guter Mann.“ Der Bäcker geht jetzt voll auf. „Ich möchte Sie hier behalten; im Auge haben, falls es schlimmer wird.“ „Was schlimmer wird? Nun sagen Sei schon, Herr Doktor!“ Der falsche Doktor schweigt. Dann schleicht er langsam um den sitzenden Patienten herum und legt ihm von hinten die Hände auf die Schulter. Etwas Mehl krümelt in den Schoß. „Guter Mann. Ich weiß nicht, was es ist. Aber ich bin ja auch kein…“ Patient Karl läuft weiß an und fällt ihm ins Wort: „…kein Facharzt, ich weiß, ich weiß. Aber wer könnte es wissen? Können Sie mich denn nicht überweisen?“
Der Bäcker ist mit seinem Latein am Ende. Viel fällt ihm nicht ein. Schließlich rät er dem Kranken täglich viel Vollkorn zwischen den Mahlzeiten einzunehmen. Er kenne da einen guten Bäcker. Karl ist gefügig und lässt sich vom Arzt die Adresse des behandelnden Bäckers geben. Diesmal auf der Rückseite der Brötchentüte. Dann geht alles ganz schnell: Der Arzt greift hinter sich ins Regal und gibt dem Patienten schon mal ein Vollkornbrötchen mit. Da sei zwar weniger drin, aber fürs erste sollte das genügen. Der kranke Karl strahlt und beißt zu. Mit vollen Backen nuschelt er eine sentimentale Verabschiedung und verschwindet durch die zufrieden bimmelnde Tür. Der Arzt bleibt allein zurück und kichert.
Dann verstummt er. Der Bäcker überdenkt sein bisheriges Geschäftsmodell sehr gründlich.
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